Sie still!
Liebe Freundinnen,
wenn ich an diese #Aufschrei-Geschichte denke, ist es dieses “Sei leise, sei still jetzt” im Sinne von “Stör mich nicht, dafür bist Du zu jung & darüber spricht man nicht” meiner Mutter, was mit als erstes einfällt. Ein neugieriges Kind war ich ja, aber eines, das die Geheimnisse von Fortpflanzung, Sex und Geschlecht selbst entdecken musste, so ganz ohne Aufklärung. Wenn ich die tatsächlich einforderte, bekam ich recht krasse Sachen erzählt: Homosexualität etwa war pervers, weil Analverkehr pervers ist. Schweinkram eben. Heute können wir soziologisch-distanziert von der Homophobie der Elterngeneration sprechen, für mich hat das aber lange Zeit bedeutet, dass ich mich und mein Begehren als pervers empfunden habe. Noch immer bin ich froh, kein Mann zu sein, weil ich dann beim Ausleben meiner gleichgeschlechtlichen Wünsche echte Probleme hätte.
Die “Aufschrei-Welle” ebbt aber tatsächlich ab, das war vorauszusehen. Schon beschäftigen sich Erbsenzähler mit dem Phänomen und stelle die Anzahl der Tweet End3e Januar so dar:
24.: 5.000, 25.: 25.000, 26.: 10.000, 27.: 14.000, 28.: 13.500, 29.:11.000
Tendenz: Fallend. Die Medien habe berichtet und das Thema fertiggemacht. Die einen wollen “Diskriminierung” definiert haben, die anderen meinen, Definition heße nur: Kaputtdefinieren.
Sexuelle Diskriminierung mit Rassendiskriminierung, Zwangsehe mit Pöbeleien an der Haltestelle zu vergleichen sind Strategien, das Thema zu erledigen. Dass Frau Himmelreich Mobbing betreibt, habe ich noch nicht gelesen. Messerscharf schreiben kann sie aber, und ihre Angriffe würde ich nicht als frontal bezeichnen.
Dann hat Diskriminierung immer noch mit Machtgefälle zu tun. Dass es auch Männer, die die Ohnmacht suchen, gibt, wurde in der Debatte ausgelassen, wenn ich das richtig sehe. Nur wird es zu jedem Phänomen logischerweise ein Gegenteil geben, und bei Machtgefälle denken alle nur ans Gegenteil vom Gegenteil. Das ist eher einseitig.
Die Macht der Frauen ist elementar, weil sie prä- und postnatal die primäre Bezugsperson ist.
Ob im Spiel der Geschlechter Begehren oder Begehrt-werden mehr Macht verleiht, Erobern oder Erobert-werden, lassen wir mal offen. Wer die Macht abgibt, ist jedenfalls mehr machtlos als mächtig, manchmal auch ausgeliefert, beherrscht oder devot, manchmal freiwillig in dieser Rolle, die ein unausgelotetes Potential hat, soll heißen, es gibt da wohl mehr unbewusste als bewusste und Ich-konforme Wünsche, um die die Frauenbewegung gerne große Bögen schlägt: Phantasien haben heißt nicht automatisch, das Phantasierte zu wollen, so unisono die Kommentare; wenn es darum geht, sie Partnerin oder Partner gegenüber zu äußern, wünscht sich selbst der wortgewandte Anwalt einen Anwalt, denn “diese Dinge” sind ja peinlich, aber über Grenzüberschreitungen, Grabschereien und Diskriminierung in der Werbung, oder auf Zeitschriften-Titelbildern zu schimpfen ist leicht. Auch die Sprache könnten wir zum Hassobjekt machen: “Da fällt einem nichts mehr ein” ist umzuschreiben in “Da muss Frau an … denken”. Das Gejammer der Männer ist mir übrigens egal – mir reicht es, einen einzelnen zum Jammern zu bringen.
Ich habe es, im zarten Alter von 13, diskriminierend gefunden, als meine Klassenlehrein mich gefragt hatte, ob ich auch schon einen Freund hätte – hatte ich nicht, und schüchtern war ich auch. Schüchtern, weil ich schüchtern war, sozusagen. Weil ich nicht so heftig umworben wurde (und nicht von den Richtigen), fühlte ich mich wertlos. Das ist kein Grund für einen Aufschrei…
#Aufschrei zeigt auch die Sehnsucht nach dem gemeinsamen Kaminfeuer. Themen, über die alle mal wieder miteinander reden können.
So ein Tweet von Alexander, der in seinem Blog auch über “die heutige kollaborative Natur der Inhalteangebot-Erstellung” schreibt. Das gefällt mir. An lauen ‘Sommerabenden gern auch am Lagerfeuer.
Das Gute an Blogs (und das, was sie von den alten Medien unterscheidet) ist doch gerade, dass sie eine kollaborative Entwicklung von Ideen ermöglichen. Und wenn auch der “aktive” Part zwischen Bloggerin und Leserin nicht exakt gleich oder parallel zu sehen ist, so wäre das Verhältnis doch mit “Anbieter” versus “Kunde” ganz falsch beschrieben.
So kommt Frau herum, beim Bloggen. Antje, feministische Bloggerin aus Ffm, verschenkt ihre Artikel und will, wie ich, Feedback.
Schreien, weil ich so schüchtern, gehemmt war, hätte ich damals gar nicht können. Das ging mehr ins depressive. Die Literaturwissenschaft und Psyhologie hat mir als Studium dann unheimlich weitergeholfen: Frauenbefreiung, sexuelle Revolution und noch ein paar Utopien.
Die Figuren, unglaubwürdig allesamt, dienen nur der Inszenierung der narzisstischen Ich-Erzählerin.
Sagt Julia über sich, könnte aber auch auf mich passen.