Wer Lust will, muss auch etwas dafür tun

Liebe Freundinnen,

wie wär’s mit einem virtuellen Ausflug nach Rom? Ganz kurz nur, um in der Villa Farnesina einen Blick auf die Decke eines Saals zu werfen:

Da hat Raffael sich verewigt und dargestellt, wie Amor bei Jupiter darum betteln musste, dass seine geliebte Psyche in den Olymp aufgenommen werde. Psyche ist schwanger, wird bald eine Tochter zur Welt – oder in den Olymp – bringen, nämlich besagte Voluptas.

Das scheint mir auch der Endstand der griechisch/römischen Mythologie zu sein; von Voluptas’ Wirken wird explizit meines Wissens nirgends berichtet. Zum Märchen von Amor und Psyche darf ich hier anschließend einen separaten Artikel einfügen. Der Dichter Apulejus aus Karthago hat uns das Märchen von Amor und Psyche überliefert, merkwürdigerweise auch unter dem Titel “Metamorphosen”, der schon OVIDs Hauptwerk benannt hatte; das kann kein Zufall sein.

Apulejus beschreibt durchaus die eine oder andere wollüstige Szene, etwa, wie er, zum Esel verwandelt, eine reiche Bürgerin befriedigen muss, was vielleicht eine Anspielung auf Pasiphaë sein soll, von der im ersten Teil der ARS erzählt wurde: Diese Lady war derart übergeil, dass sie meinte, sich von einem Stier begatten lassen zu müssen. Ehrlich gesagt, hat das mit Wollust nicht mehr viel zu tun, sondern mit Perversion und Krankheit.

Raffaels Deckengemälde hab’ ich hier etwas geschrumpft. Lasst mal Euren Blick den Flügeln des Amor entlangstreifen: Was haben wir denn da zwischen seinen Flügelspitzen?
Eine Großkatze mit menschlichem Gesicht, eine Sphinx – und das im Olymp. Auf der linken Seite das Gleiche, sehr animalisch mit braunem Fell, und zwei Götter stellen vertrauten Körperkontakt zur “Bestie” her; zwischen Hermes’ und Apolls Füßen (und Hermes hat sich doch tatsächlich den Äskulapstab geschnappt) seht ihr dann noch so ein reizendes, weibliches Geschöpf: Ein ziemlich eindeutiger Hinweis auf antikes, olypisches Pet-Play, was ja eine von vielen Ausdruckformen gewollter Lust ist: Das heißt, Voluptas ist zwar noch ungeboren, aber doch schon wirksam; bei Hermes mit dem geflügelten Hut (der seinen edlen Körper ja letztlich dem zahlenden Publikum im Palazzo präsentiert) scheint es sich um einen Fall von grandiosem Exhibitionismus zu handeln. So einen würd’ ich natürlich auch mal in Echt bewundern wollen – da bekommt das weibliche Auge doch etwas geboten, und Sinnesreize müssen ja nicht nur taktil sein.

Nun müssten wir eigentlich untersuchen, wass Wollust mit Lesen zu tun hat. Nehmen wir nur eine winzige Szene bei Apulejus: Er fühlte sich , als er seine Gespielin Fotis küsste,
“… unwiderstehlich zum völligen Genuß der Wollust hingerissen” und rief: „Ich sterbe, Fotis; erbarme dich, ich sterbe!”.   Wir Frauen kennen die Situation mit dem vorzeitig verstorbenen Lover ja nur zu gut und haben lernen müssen, wie damit umzugehen ist; Fotis reagiert recht vorbildlich:
„Sei guten Muts! Dein Wunsch ist auch der meine, und später denn diesen Abend soll unser Vergnügen nicht verschoben sein. Sobald Licht angesteckt, bin ich auf deinem Zimmer. Jetzt geh und rüste dich zum Kampf. Ich kündige dir heiße Fehde auf die ganze Nacht an.”

Ach ja: So eine ganze, heiße Nacht: Das muss das Urbild der Wollust sein,  hab’ ich ja lange nicht mehr erlebt, ehrlich gesagt: Noch nie. Acht Stunden vergnügliches Spiel? Da müsste Frau sich schon etwas einfallen lassen, mir reichen auch zwei oder drei Schäferstündchen.

Nebenbei: Fotis praktiziert, neuzeitlich ausgedrückt, den Bedürfnisaufschub, noch anders gesagt: Sie folgt nicht dem Lustprinzip, das sofortige Befriedigung fordert, sondern dem Realitätsprinzip, das für spätere Gelegenheit den größeren Lustgewinn verspricht, sie handelt also, bei aller Liebe, vernünftig.

Weil OVID im Zusammenhang mit den zwei gestrichenen, irgendwie entfallenen Büchern davon gesprochen hat, dass er uns die Strafe, diese zu lesen, erspart, ist mir der Gedanke gekommen, dass zur “Strafe” auch “Untat” und “Richter” gehören, und wenn es sich nicht gerade um eine Bestrafung handelt, die über Schamgefühle oder Gewissensbisse funktioniert , es auch jemand geben muss, der die Strafe ausführt, sagen wir, einen “Exekutor” – was ich aber nur als Anzeichen für ein unausweichliches Machtgefälle, das sich in zwischenmenschliche Beziehungen einschleicht, erwähnt haben wollte. Zu Machtgefälle, Beziehung und OVID fällt mir auch noch ein, dass das bekannte, vorbildliche Urbild von Ehepaar, Philemon und Baucis, mit “… Beide befehlen, beide gehorchen” charakterisiert wird.

Mit Befehl und Gehorsam ist hierzulande in den letzten Jahrhunderten völlig konfus hantiert worden, bis hin zur Aberkennung jeglicher Autorität, was für die Zwecke von Amor, Psyche und schließlich Voluptas nur negative Folgen hatte: Qualvolle Diskussionen oder gegenseitige Verweigerung vereinbaren sich nun mal nicht mit lustvoller Zweisamkeit.

“Wissen ist Macht” – ich mag diesen Slogan aus den Anfängen der Arbeiterbewegung, als es noch soziale Lesestuben zur Verbesserung der Volksbildung gab. Und Unwissen ist Ohnmacht. Ohnmächtig waren die Bürger Thebens den Fragen der Sphinx gegenüber, bis Ödipus “das Vieh’” vom Sockel stürzte.

Raffael hat das Fabelwesen in den Olymp geholt – dass der das durfte, verwundert mich, wahrscheinlich war es aber schon richtig. Versetzt Euch doch einmal in die Lage einer “olypischen Sphinx”, und probiert einfach aus, wie es sich anfühlt, wenn Ihr diese Pose einnehmt und halten müsst, wenn Euer Macker mit dem einst mächtigen, jetzt machtlosen “Kätzchen” spielen darf, oder lasst Ihn den süßen Kater spielen. Ich verspreche nur so viel: Das kann zu gewollter Lust führen. Wer es genauer braucht und nicht so viel Phantasie entwickeln mag: Roman hat in den “Erotischen Texten” eine Anleitung verfasst, was ich jetzt aber nicht kommentieren oder werten will…

Fortsetzung:

Die Schulung der Weiblichen Erotik

— Hinweis: —

Zur Übersicht: Die Liebeskunst für Frauen nach OVID in der Interpretation von Leilah

 

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