Liebe Freundinnen,
ich merke es schon selbst: Auch ich bin nicht ohne Weiteres bereit, alles zu erzählen, was ich erzählen könnte in Sachen Lust und Liebe. Romans „Anleitung“ war übrigens eher eine Einleitung mit Schwierigkeiten; ich hab’ das aber ausgelagert.
Ihr erinnert Euch doch, dass OVID in den Elegien voranstellte, er habe nur drei von fünf Büchern veröffentlicht. Ehrlich: Ich frag’ mich, ob es auch bei der ARS so eine Kürzung gegeben hat.
Eigentlich wär’ das ja wahrscheinlich. Außerdem ändert sich ja das Buch, sobald es gelesen wird: Jede speichert ihre eigene Version ab. Wenn die Frauen als Gruppe die „Bücher für Männer“ anders verstehen als die Männer, werden aus zwei Büchern gewissermaßen vier. Wenn ein Mann „das Buch für Frauen“ liest, kann es passieren, dass er sich zwar Akademiker schimpfen darf, aber rein gar nichts versteht.
„Frauen … sind den Pflichten Amors hilflos ausgeliefert. Männer bleiben auch in der Liebe selbständig. … Schon die ersten Belehrungen sind eine Fortsetzung machistischer Verführungskunst mit anderen Mitteln… .“ (Adomeit, S.26 (Quelle) )
Mit der altphilologischen Erotik hab’ ich allerdings Schwierigkeiten – Da gibt es Abhandlungen zur „Erotik der Reinheit“, zur „Ästhetik der Macht“ oder zu „Nacktheit und Peinlichkeit“. Frauen interpretieren anders als Männer:
Die ARS sei die Verbindung der „… traditionellen Elemente der römischen Liebeselegie und des Lehrgedichts zu etwas völlig Neuem, einem „Erotiodidaktikon“, dem ersten Flirt-, Sex- und Beziehungsratgeber der Welt. Ovid … beschreibt … ironisierend und bemerkenswert genau beobachtend die psychologischen Mechanismen von Balzverhalten, Liebe und Beziehung und geht auf psychische Besonderheiten von Frauen und Männern ein.“. (Näser o.J., S.2(Quelle) )
Edutainment, Erotodidaktik, Erototainment – all das mag sein, und auch um Sex & Porn geht es.
Schwierigkeiten hab’ ich aber mit der „feministischen, humanistischen Pornographie“, die von Selbstbefreiung und Selbstverwirklichung erzählt:
„Lebt Euch aus, macht Eure Phantasien wahr, die Scham ist vorbei!“
Das ist pure Selbstdarstellung einiger DarstellerInnen, auf die Leinwand gebrachtes Kopfkino.
Mit der Emanzipation und Gleichberechtigung – das war wohl schon immer so eine Sache. Offenbar hat OVID auch an „Waffengleichheit“ gedacht – nachdem die Männer in den ersten zwei Büchern der Liebeskunst belehrt worden seien, müssten doch auch die Frauen über ihr theoretisches Rüstzeug verfügen können, um den Männern nicht unterlegen zu sein. Aber ist so ein Argument nicht lediglich ein rhetorischer Kunstgriff? Was hätte denn die Frauen hindern sollen, die Tricks der Männer kennen zu lernen und somit abwehren zu können? Und wozu noch ausgerechnet die Amazonen aufrüsten, die per se nicht mit Männern zusammenlebten? „ … nun muss ich auch dir, Penthesilea, und Deiner Schar Waffen geben.“
Wenn es um die Gleichberechtigung geht: Um welche Gleichberechtigung, um welche Freiheit geht es denn wirklich? Vor hundert Jahren kämpften Frauen um die Freiheit, in der Öffentlichkeit rauchen zu dürfen. Die Kämpferinnen waren Models, von einer Werbeagentur gemietete Schauspielerinnen mit blauen Strümpfen, die etwas von Frauenrechten skandierten: „Wir fordern das Recht, uns in eine bisher nie da gewesene Nikotinabhängigkeit zu begeben“ oder kürzer: „Mehr Macht der Sucht“:
„Alle Macht der Periode“, und dass Frau mit o.b.s reiten, schwimmen und menopausieren kann haben wir gelernt, die klitoriale Erregung von Frau zu Frau hat mich mit 11 Jahren eine Sportlerin gelehrt, aber schon mit acht Jahren konnte ich aus einem Schwänzchen etwas härteres, längeres, steifes zaubern, nicht aber mit Worten beschreiben, also nicht darüber reden, weil das heimlich geschah, mit meinem Cousin. Wir haben nur ganz unschuldig gespielt, und waren uns bewusst, dass wir etwas verbotenes spielen.
Als Amazone hab’ ich mich nie gefühlt, nie die doppelschneidige Streitaxt am Kettchen um den Hals gehängt, und bis heue verstehe ich nicht wirklich, wie Feministinnen diese Töchter des Kriegsgottes idealisieren konnten. Und mal ganz nebenbei: Die Amazonen – das ist ein Mythos, keine historische Realität. Die Belehrung der Amazonen, was Weiblichkeit vermag, und die Belehrung der römischen Dame des Hauses, „Domina“ würde, müsste doch ganz unterschiedlich ausfallen. Die Kriegerin zur Weiblichkeit, Mütterlichkeit ermutigen, die Hausfrau zur freien Liebe – das sind wohl zwei Paar Schuhe.
Ich seh’ auch keine Kriterien, wie ich diesen OVID einschätzen soll. Picasso hatte keine Probleme, sich mit ihm zu befreunden. Beweist das etwas?
So eine verträumte, romantische Szene wie die nebenstehende ist Illustration zu den Metamorphosen, auf dem Buch-Umschlag..
Zeus liebt, hat mal wieder eine Geliebte. Wäre doch eigentlich ein Thema für die Liebeskunst. „Gekonnte Liebe“ – das müsste der Göttervater doch beherrschen. Dass die wesentlich jüngere Geliebte sich auf dem Terrain nicht auskennt, macht ihr ja niemand zum Vorwurf.
Wie Zeus’/Jupiters Gattin, also Hera oder Juno, sich dem Seitensprung ihres Göttergatten gegenüber verhält, nämlich die Rivalin so zu manipulieren, dass sie von ihrem Geliebten unwissentlich ihr eigenes Todesurteil einfordert – auch das ist „nur“ ein Mythos. Welche Frauen will Ovid also belehren? Die naiven vom Typ „Semele“, den kriegerischen Penthesilea-Typ oder die „wissenden“ vom Typ Hera?
So wirklich will ich nicht an das Thema „Liebeskunst für Frauen“ heran. Was ist denn „weiblich“, „fraulich“, wo ist der Unterschied zu „männlich“? Sind das alles bloß zwei Seiten einer Medaille? Sind wir denn in einer ständigen Auseinandersetzung, mit den „Waffen der Frau“ im Kampf gegen die Männer? Eva war in der Tradition unserer Weltanschauung die Urverführerin und die Masse der Männer wäre nach wie vor leicht zu haben:
„Was lieferst Du der rasenden Wölfin den Schafstall aus?“ (ARS III/09)
bezeichnet eine männliche Ur-Angst vor der besitzergreifenden Frau und eine männliche Selbsteinschätzung: „Längst sind wir domestiziert und werden als Haustier gehalten“. Eva wiederum hat bis heute „Sittsamkeit und Tugend“ angenommen, eine Sinnesart, die „unserer Kunst“ nicht förderlich ist, denn
„Durch mich lernt man nur mutwillige Liebesspiele, ich werde lehren, wie eine Frau liebenswert ist (ARS III/26).“
Belehrung von einem Mann, sei er auch schon lange verstorben, ist allerdings das Letzte, was Frauen unserer Zeit erwarten.
Zur Fortsetzung meines Textes zu Ovid und zur weiblichen Erotik
http://gucknet.de/ovid/schreiben-fuer-die-muse-als-verfuehrung
— Hinweis: —
Zur Übersicht: Die Liebeskunst für Frauen nach OVID in der Interpretation von Leilah