Mehrfache Liebelei und Polyamore Beziehungen

Liebe Freundinnen,

Feste Partnerschaften mehrerer Sexualpartner, Intimität nach Terminkalender und Beziehungen ganz ohne Sex: Individuell ausgehandelte Arrangements bestimmen nach Einschätzung von Zukunftsforschern zunehmend das Paarleben in Deutschland. (“die Welt“)

Und alleinstehende Jäger werden sich wieder vermehrt der Dackel-Haltung zuwenden. Sag’ ich jetzt mal, als Zukunftsforscherin. Als Zukunftsforscherin kann ich auch voraussagen, dass in China bald mal wieder ein Flugzeugabsturz eintritt, wegen der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Als Sexpertin lass’ ich das mit den Voraussagen, und finde es lohnender, sich um die Voraussetzungen zu kümmern. Als da wäre die weit verbreitete Eifersucht, in Schach gehalten meist nur von der Hoffnung, dass das geliebte Objekt möglichst unversehrt wieder zurückkommt, weit davon entfernt, mit der Konkurrenz noch einen Pakt zu schließen: “Du kannst ihn unter den rückseitig aufgeführten Bedingeungen ausleihen; der Partner muss pfleglich behandelt und unbeschädigt zurückgegeben werden.”

Für mich selbst kann ich ausschließen, dass mein Macker damit einverstanden wäre, michzu “teilen”, selbst wenn er neben mir noch eine “halbe Portion” haben dürfte: Erstens wär’ er überfordert, zweitens hat er einen gut dotierten Job im öffentlichen Dienst, gehobene Laufbahn, und wenn da etwas von Polyvinylchlorid in unserer Beziehung durchsickern würde, wär’ es nicht mehr lange bis zur Suspendierung vom Dienst. Politisch nicht opportun, so was. Allenfalls serielle Vermählungen sind da gestattet.

Lou Salomé hatte ja anno tobak mal eine “ménage á troie” angestrebt, aber – glaub’ ich, die Zeit ist immer noch nicht reif für so etwas. Und niemand weiß, wieviel Leid und Sucht nach Leid in den paar “funktionierenden” mehrfach-poly-Beziehungen verborgen ist, wenn auch die Polygamie in einigen Ländern ganz normal ist. Aber eine Frau mit mehreren Männer, mehrere Frauen mit noch mehr Männern? Räusper. Alles noch vertraglich abgesichert. Da kann ich mir andere Modelle vorstellen.

Soll ich meinem Macker einen Vertrag mit dem Zweitlover vorlegen? Dumme Frage, natürlich nicht.  Wenn da was läuft, dann nur kurzfristig und absolut diskret. So diskret, dass ich es nicht einmal hier veröffentliche. Was die eine oder andere Freundin so treibt, kann ich ja berichten. Wenig aufregend sind diese Geschichtchen aber im Rückblick; erstaunlich, wie die Erlebnisintensität nachlässt, das bestandene Abenteuer verblasst, und muss schon sehr schillernd gewesen sein, wenn es noch in der Rückschau etwas Spannung vermittelt.

Dass ich von zwei Männern gleichzeitig massiert werde, finde ich als eine schöne Idee. Das kann ich aber auch ohne viel Gedöns haben; und zur Not geh ich halt wirklich zur Massage. Wenn es noch liebevoll sein soll – meinen Macker fragen, ob er mal einen Fußballkumpel zur Massage “seiner Leilah” mitbringt – geht einfach nicht. Mackers Sportsfreunde und Kollegen sind tabu, weil sie einfach nicht zuverlässig sind, das Plaudern anfangen würden, und dann – siehe oben. Die fänden diese Situation sogar ein bisschen schwul – davon ist auch Macker nicht frei, und ich kann ihn nicht nach Belieben ändern.

Ich wünsch’ mir ja immer noch eine Freundin, mit der ich Pferde stehlen könnte. Mit der könnte ich auch meinen Macker teilen. Sie bekommt die linke, ich die rechte Hälfte. Ab und zu darf jede auch mal die Seite der anderen kneten, einölen oder streicheln. Hals, Arme, Rücken, Po, Beine, Füße. Wenn seine Vorderseite dran ist, würd’ ich ihn fragen, warum er nicht auf die Idee kommt, mal einen seiner vielen Freunde mitzubringen, um mir den gleichen Dienst zu erweisen. Und ihn bitten, stillzuhalten, weil er das viele Öl im Bauchnabel lassen muss, sonst würden wir aufhören. Sicher wüsst er nicht, was er antworten soll. Das wär’ so eine polyarme Situation: Vier Arme und vier Hände, die den Macker sanft bearbeiten. Wenn er sich dabei selbst auch noch streichelte, wären es schon sechs Hände, aber das muss nicht sein.

Aber, aber..

Aber ansonsten gilt: Wir sind nicht so erzogen, sondern halten “Ehebruch” für eine Sünde, und Eifersucht ist eine Triebfeder des menschlichen Tuns. Die Zukunftsforscher gehen darüber hinweg und prognostizieren ein Sexualleben, bei dem sie die grundlegenden Unterschiede, Bedürfnisse von “Mann und Frau”, Menus und Mars ignorieren.

Dazu werd’ ich auch noch einen Artikel herausbringen, inspiriert von dieser Quelle:

Ovid, ars amatoria II, 561ff.
Eine Geschichte erzählt man, die allen bekannt ist im Himmel:
Wie Mars und Venus gefasst wurden durch Mulcibers List.
Denn Vater Mars, ausser sich von rasender Liebe zu Venus,
Schrecklicher Feldherr zuvor, wurde zum Liebhaber nun.
Und als er bat, war Venus – sie ist ja die sanfteste Göttin –
Gegen Gradivus auch nicht schwierig und bäuerlich spröd.
O wie oft lachte sie frech – sagt man – über die Füsse des Gatten,
Über die Hand, welche hart war von der Kunst und der Glut.
Ahmte sie dann vor Mars’ Augen Vulcanus nach, stand ihr das herrlich,
Und sehr viel Grazie war mit ihrer Schönheit vereint.
Aber sie pflegten zuerst ihr Beilager klug zu verbergen,
Und noch voll schüchterner Scham war ihr Vergehen dabei.
Weil’s ihm der Sonnengott zutrug – wer könnte den Sonnengott täuschen? –,
Wurde Vulcanus das Tun seiner Gemahlin bekannt.
Was für ein schlechtes Beispiel, o Sonnengott! Bitte doch selber
Um ein Geschenk! Wenn du schweigst, hat sie auch Gaben für dich!
Rings um das Bett und darüber verteilt jetzt Mulciber Schlingen,
Unsichtbare; den Blick täuscht dieses kunstreiche Werk.
Dann gibt er vor, nach Lemnos zu reisen. Das Paar kommt zusammen,
Und in die Schlingen verstrickt liegen sie beide nackt da.
Nun ruft die Götter er her; die Gefangenen bieten ein Schauspiel.
Tränen mit Mühe nur hielt Venus, so glaubt man, zurück.
Nicht können sie die Gesichter bedecken und nicht vor die Teile,
Die man sonst offen nicht zeigt, legen die schützende Hand.
Da sagt einer und lacht: „Übertrage, tapferster Mavors,
Du deine Fesseln auf mich, sind sie dir selber zur Last.“
Kaum auf dein Bitten, Neptun, lässt Vulcan die gefangenen Leiber
Frei, und nach Paphos begibt sie sich, nach Thrakien Mars.
Da du nun dieses vollbracht hast, Vulcanus, tun künftig sie freier,
Was sie versteckten zuvor, und alle Scham ist dahin.
Oft freilich gibst du jetzt zu, dass du Narr etwas Dummes getan hast,
Und deine eigene Kunst, sagen sie, hast du bereut.

“Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.” Oder auch: Ist der Ruf mal ruiniert, lebt sichs völlig ungeniert. Vor allem aber, prinzipiell:

“Zu einer Antwort, die man nicht aussprechen kann, kann man auch die Frage nicht aussprechen. Das Rätsel gibt es nicht.
Wenn sich eine Frage überhaupt stellen läßt, so kann sie auch beantwortet werden.” (Wittgenstein)

Ich habe jetzt also das Sexualverhalten der Vergangenheit mit dem der Zukunft gegenübergestellt. Die Liebeskunst mit einer Agenturmeldung…

Welche Veränderungen könnenn wir erkennen, und welche Veränderungen treten erst durch unser Hinterfragen auf? Wollen wir gewisse Entwicklungen einfach hinnehmen, oder beeinflussen? Was hat es mit der “wachsenden Asexualität” auf sich, die ja in der Vergangenheit noch als “bäuerliche Sprödigkeit” bezeichnet wurde? Ist “Polyarmorie” nicht eigentlich ein überflüssiges Kunstwort?

 

 

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