Mein erotischer Geheimtipp

Liebe Freundinnen,

dass wir unsere Liebes-Kunst nicht auf einen „Trick“ reduzieren können, andererseits aber auf jeden Fall ein paar Tricks und Kniffe dazugehören, die ich hier, wo die Objekte meines Begehrens mitlesen können, nicht offen ausplaudern werde – da sind wir uns wohl einig.
Der alte OVID mag für die gelegentlich rätselhafte Struktur seiner Verse ähnliche Gründe gehabt haben:

„…bei einem Vers wie “und es besitzt der chaonische Vogel Türme, die er bewohnt”“ lässt sich seine Art, das Gemeinte im Gesagten zu verschlüsseln, schön demonstrieren, denn um den Sinn zu erschließen, „… muß man erstens wissen, daß die Taube dem Jupiter von Dodona heilig war, Dodona in Epirus liegt und Chaonien eine poetische Umschreibung für Epirus ist – solche über die Bande gespielten Metonymien machen einem heutigen Leser die Ovid-Lektüre nicht selten zu einer Art Kreuzworträtsel.“

Er benennt das Gemeinte also nicht direkt, sondern deutet es an, und die Andeutung  komprimiert möglicherweise komplexe Sachverhalte: Die Türme, die der Vogel bewohnt, sind „turmartige“ Taubenschläge, und in einem Taubenschlag ging es damals wohl ähnlich wie heute zu.
(vgl. FAZ)
Nach wie vor ist der Taubenschlag der Ort, an dem die Turteltäubchen sich treffen, und auch Verliebte brauchen ihren geschützten Raum, einen Ort, an dem sie ihre Intimitäten austauschen können, ein Liebesnest. „Lass dir von deiner Freundin ihren Zweitschlüssel geben; das Wort „Zweitschlüssel“ verrät ja alles über dessen Zweck““, rät Ovid zu diesem Thema ganz unverschlüsselt, und niemand merkt, wie pragmatisch er auch sein kann, weil alle damit beschäftigt sind, permanent Rätsel lösen zu wollen.
Die Formel von den „mutwilligen Liebesspielen der liebenswerten Frau“ – ihr findet sie am Ende des dritten Artikels - habt ihr wahrscheinlich überlesen. Dabei handelt es sich hier gar nicht um ein großes Rätsel, sondern um ein weites Feld, das von den Kommentaren der Philologen nicht beackert wird, das die meisten von uns brach liegen lassen. Mutwille, Vorsatz, Absicht sind per se nichts schlimmes, der „Wille, zu dem eigenen Mut zu stehen“ soll sich ja mit Liebenswürdigkeit, Freundlichkeit, Bestimmtheit, Verständnis und Empathie verbinden, ohne jemandem zu schaden.

Weiblich sein heißt passiv, abwartend, unterlegen, empfangend sein, heißt, das männliche zu ergänzen, Kinder zu empfangen und zu gebären, und im sozialen Kontext eben die weibliche Rolle innehaben. Mutwillig einen (?) Mann zu erobern ist bei dieser Denkweise unmöglich, und auch OVID meint:

„Der Mann tue den ersten Schritt, er spreche bittende Worte, und sie möge die schmeichelnden Bitten liebenswürdig aufnehmen. Willst du sie erlangen, so bitte du sie! Sie will nur gebeten sein. Schaffe den Anlaß und mache den Anfang zur Erfüllung deines Wunsches.“
Nun, das stammt aus OVIDs Anleitung für die Männer. Denen macht er Beine. Uns erklärt er dann noch pro forma, an welchen Orten die Frau ihre Angel auswerfen kann; dass die weiblichen Reize der Köder sind, ist uns längst bewusst.

Bei den Chinesen gibt es die Dualität von Yin und Yang, das helle und das schattige Prinzip, die zwar nicht miteinander verschmelzen, aber ineinander verschlungen sind, und von den 64 Zeichen des I-Ging  sind schließlich nur zwei reines Yin und reines Yang, aber nie autark lebensfähig, und immer in der Wandlung: Empfangendes und Schöpferisches sind die Grundprinzipien, ansonsten ist der Mensch „auf dem Weg“. Entsprechend unsere Mythologie, die für die Individuen Venus oder Mars als bestimmend annimmt.

„Es gibt also, mein Freund, keine Beschäftigung eigens für die Frau, nur weil sie Frau ist, und auch keine eigens für den Mann, nur weil er Mann ist, die Begabungen finden sich vielmehr gleichmäßig bei beiden Geschlechtern verteilt.“ (Platon)

Das ist ein Denkansatz, mehr nicht. Philosophisches Denken: „Was könnte sein?“ Es kommt bei aller Begabung darauf an, was wir daraus machen wollen, und auch, ob die Männer mitspielen wollen. Es kommt auch auf die Verhältnisse an, auf die Rechte, auf die Gesetze, nach denen die einen Freiheiten haben und andere nicht. Welche Gesetze gelten eigentlich, bei aller „Kunst der Liebe“, in dieser „Kunst“?

Weil aber der Gegensatz (eigentlich: Die Ergänzung) männlich/weiblich immer noch als „Mars und Venus“ buchstabiert wird, sind die Verhältnisse, wie sie sind, und nicht wie sie sein könnten – sag’ ich mal, so als These.
„Weiblich ist „Hingabe“ und männlich „Eroberung““ – das halte ich für einen Propagandatrick, seit ich gesehen habe, wie viele Venus-Statuen, die vorher römische Plätze beherrscht hatten, in den Ausstellungsräumen und Kellern der archäologischen Museen herumstehen. Venus war Kult, in den Stadtbildern mindestens so präsent wie heute Mc Donalds! Unsere Steuergelder werden heute aber eher für die Huldigung an den Kriegsgott verwendet, und wir haben uns so daran gewöhnt, dass wir nicht einmal merken, dass wir damit einen („heidnischen“) Kult betreiben. Ich hab’ auch das Gefühl, dass der Venus-Kult derweil in der „Frauenpresse“ überlebt hat. In Wirklichkeit hatten wir nie eine sexuelle Revolution, sonst hätten sich diese Strukturen gründlich geändert, oder wären wenigstens bewusster und in der Veränderung begriffen. Die Frauen benutzen ihre Waffen eher unbewusst als gekonnt, und die meisten Männer haben keinen blassen Schimmer von erotischer Befreiung, die doch nur die Erkenntnis voraussetzt, wie liebenswert, wenn auch nicht unbedingt liebevoll, wir Frauen sind.

Was geschieht, wenn Venus den Kriegsgott um ein Versprechen und dann, doch seine Waffen  abzulegen bittet, schauen wir uns in der nächsten Folge an.

Hier weiterlesen:

Mars & Venus, Sexuelle Phantasie in Blau

— Hinweis: —

Zur Übersicht: Die Liebeskunst für Frauen nach OVID in der Interpretation von Leilah

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