Tabu-Brüche, Aufmerksamkeit und Empörung

Liebe Freundinnen,

wenn eine Autorin die Folgen eines Missbrauchs, den sie als Kind erlitten hat, eingehend beschreibt und auch die Rolle der eigenen Mutter nicht ausklammert, dann kommt mir das wie literarisches Neuland vor, und vielleicht ist es auch ein Tabubruch: “Darüber spricht man nicht”.

Aber es hat, oder sollte eine befreiende Wirkung haben. Über “mein tiefes, dunkles Geheimnis” zu sprechen, nicht im diskreten Umfeld einer Therapie, sondern schreibend in der Öffentlichkeit – vielleicht ist es (selbst-) therapeutisches Schreiben, vielleicht, sieht man die Kommentare zum Artikel, ist es auch ein wenig kollektive Traumabewältigung.

Tracy Strauss hat also über eine dunkle, unangenehme Seite der Sexualität geschrieben, vor allem aber exakt über ein Wahrnehmungssystem, das das Trauma verursacht hat:

I tried as best as I could to obey her wishes without compromising the integrity of the line separating truth from denial. Acknowledging only part of the truth, or ignoring it altogether as if it did not exist, was not only my mother’s operating system but the foundation upon which she raised me.

“Ausblenden und Wegschauen”  ist hier die Regel, gewöhnliche Verleugnung.

Von einer “Skandalnudel” erwarten wir mehr. Miley Cyrus  kam in die Schlagzeilen, weil sie auf der Bühne masturbiert hat – genauer: Den Akt der Masturbation angedeutet hat.

Das Provokante dabei wird wohl gewesen sein, dass sie permanent ihre Zunge herausgestreckt hat – jedenfalls kommt sie nun in den Genuss einer professionellen moralischen Belehrung.

“Miley might do well to look at the landscape of hubris-infused rock stars who tumble into self-destruction, usually out of a misunderstood sense of their own power and popularity (dangerous addictions in their own right that only get worse when drugs and alcohol get mixed in).”

Wer pauschal alle Stars als übertrieben narzisstisch diagnostiziert, sollte aber auch an jene denken, die sich ach so gern auch “peinliche Star-Fotos” anschauen, denn zu einem System gehören mindestens zwei Bestandteile.

Im Tabubruch soll die verleugnete Seite der Wahrheit hervorgeholt werden, und schnell kommt die “konservative Seite” zu Wort, die vor den schlimmen Folgen der Wahrheit warnt und das Verleugnete unter den Teppich kehren will.

Erst die Kritiker machen den Skandal zum Skandal…

Auch manche Autoren haben sich dieses Gesetz schon zu Nutze gemacht, wenn auch das Verfahren seine Tücken haben mag:

Entscheiden Sie sich für einen Tabubruch, sollten Sie nicht nur die Kunst des Polarisierens beherrschen, sondern auch einen guten PR-Berater haben, der strategisch denkt. Sonst geht der Schuss nach hinten los, und Sie landen als Tabubrecher in der Gosse der Ignoranz …

Den Ausdruck “Gosse der Ignoranz” finde ich ja klasse.

Hey, ich bin in dieser Gosse, in der Ignoranz-Gosse. Nicht, weil ich irgendwelche Tabus gebrochen habe (oder habe ich das doch getan?), sondern weil mich niemand kennt, und die, die mich kennen, sich nicht für mein Geschreibsel interessieren.

***Habt Ihr Interesse an meinem neuen Buch-Projekt?***

Diese Frage hatte ich schon ein paarmal gestellt, aber wahrscheinlich den falschen Leuten. Die haben entweder ein anderes Programm, oder mein Groschenroman ist mit ihren Denkverboten nicht kompatibel. Es ist mir ja selbst peinlich, zum Teil, was ich da geschrieben habe,  aber ich hatte nur an die Freiheit der Kunst, der frau auch mal ihren Lauf lassen müsse, gedacht.

Unseriös und nicht richtlinienkonform sei das – auch das habe ich mir schon schreiben lassen.
Und wenn schon! Das bisschen Tabubruch(?) gleiche ich doch glatt wieder aus, mit meiner Liebeskunst für Frauen.  Die wird voll seriös, und außerdem liegen diese alten Bilder und die Geschichten dahinter momentan voll im Trend, und das wird auch noch eine Weile so bleiben.

Es gibt unterschiedliche Tabus, es gibt Dinge, die wir nicht tun sollen, es gibt Dinge, über die wir nicht sprechen sollen, und soche, über die wir nicht nachdenken sollen. Denkverbote hat es schon früher gegeben, und auch Möglichkeiten, diese Zensur zu überwinden. Was wir denken sollen, was zu denken sich “geziemt” und worauf unsere geheimen, verpönten Wünsche zielen, sollten wir ergründen und wissen, wie die Männer in dieser Hinsicht ticken: Es ist heute kein Tabubruch mehr, offenzulegen, dass Frauen männliche Anteile haben und Männer weibliche, und es ist üblich, hier rücksichtsvoll Wert auf Ausgeglichenheit, Balance und Gleichwertigkeit zu legen.Dabei kann es sein, dass die Problematik “verpönte Wünsche” bei den Männern ausgeprägter als bei den Frauen ist.
Ich will ja nicht darauf bestehen, dass Männer den stärkeren Trieb haben, aber irgendwie scheinen sie mir doch bedürftiger als die Frauen zu sein, wenn wir hinter die Fassade schauen.

Dass es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, liegt auf der Hand: Venus ist weiblich, die Liebe hat eine Göttin und keinen männlichen Gott. Diese weibliche Göttin repräsentiert uns, liebe Freundinnen; warum auch nicht, was spricht dagegen, dass wir unser Privileg auch (aus-) leben?

In der Kunst sind es die Männer, die der Venus huldigen und sie darstellen. Das hat so seine Richtigkeit. Ist es nicht an der Zeit, dass Männer auch im realen Leben der Frau den gebotenen Respekt erweisen?

 

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