Zwischen Täfelchen und SMS – Erotische Nachrichten

Liebe Freundinnen,

im Zug saßen mir neulich zwei Mädels gegenüber, wobei die eine, ein Smartphone in der Hand, der anderen erklärte, warum sie Einen, der sie nicht verehrt, auch unmöglich findet.

Sie hat all ihre Argumente schön mit seinen mails untermauern können, wobei ich die Unterhaltung im Einzelnen nicht verstehen konnte, wie das so ist bei Bahnfahrten (auch beim Autofahren, an der Ampel,  sieht Frau ja mehr und mehr FahrerInnen, die schnell noch etwas tippen). Für Liebe und Erotik reichen heute also Kurznachrichten, und manchmal sagt ein Bild mehr als tausend Worte, selten bleibt es bei einem Bild. Archaische, genitale Bilder fluten unverschlüsselt durch den Äther.

Vor 2000 Jahren waren Textnachrichten auch schon üblich, nur lief das alles noch analog ab: Die wurden per Kurier versandt, und der Datenträger bestand aus einem flachen Kästchen, dessen Innenseiten mit einer Schicht Bienenwachs bestrichen war; mit einem Griffel wurde das Täfelchen beschrieben, nach dem Lesen wieder verstrichen, und neu beschrieben.

Es galt als überaus sehr wichtig, Diskretion zu wahren, diese Schriftspuren gut zu verwischen, und die oder der überbringende Sklavin oder Sklave  musste vertrauenswürdig sein: Die Sittengesetze der Zeit sahen drakonische Strafen bei ehelichem Seitensprung vor. In der “Liebeskunst” riet OVID, die Inhalte zu verschlüsseln:

…  Damit verschleiert wird, wer der Autor ist, soll Sie bei den Briefen, die sie ihm schreibt, sich als Mann darstellen und ihn als Frau anreden.

Würde nun der Brief abgefangen, wüsste niemand, wer Absender und Empfänger ist. Genauso hätte er seine Briefe zu verschlüsseln: Sie schreibt Ihm, wenn er ihr schreibt.
Das ist gleichzeitig eine Vorübung für einen möglichen Rollentausch, für ein Spiel mit verschiedenen Rollen.

Wo immer wir eine Rezension der Liebeskunst gefunden haben, hat es geheißen, sie beinhalte zwei Bücher für Männer und ein drittes für Frauen. Nur – Ihr werdet es bestätigen – findet sich hier, im “Buch für die Männer” auch eine Anweisung für Frauen.

Nicht nur eine Anweisung, sondern auch praktischer Rat: Die Berliner Zeitung schrieb anlässlich der Rezension einer OVID-Übersetzung zur Problematik des Informationsaustauschs:

Wie soll die Liebende ihre Botschaft unverstümmelt an den Liebsten bringen, wenn mit den sperrigen wachsbezogenen Täfelchen des normalen Postverkehrs Probleme auftreten? Binde deiner Zofe, rät Ovid, den Brief an die Wade, oder noch besser, schreib ihn ihr auf den nackten Rücken. Der Empfänger liest dann, indem er den Leib der Botin studiert …

- und die Zofe kann der Herrin sogleich die Antwort überbringen und berichten, wie der Geliebte auf die Reize ihrer Zofe reagiert. Der frivole Gedanke sollte aber nicht verhindern, dass wir erkennen, wie die Botschaft des Buchs eigentlich zu decodieren ist.

 

Ergänzend:

Eine schöne Einführung ins Werk und Leben des OVID von David Nystrom (Video – Vortrag, englisch)

 

 

 

 

 

 

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