Liebe Freundinnen,
es gibt Buchtitel wie „Töchter der Venus“ und „Schwestern der Venus“ – und irgendwie sind wir alle doch vielleicht eigentlich Beides, vermute ich mal.
„Venus“ als Leitfigur scheint mir immer noch aktuell, wenn ich so sehe, wie sehr manche Frauen es lieben, vergöttert zu werden, besonders in der „Annäherungsphase“, manchmal auch „Phase der Verliebtheit“ genannt. Ich bin da jedenfalls keine Ausnahme.
Es gibt auch einige Betrachtungen, die das Verhältnis von Frau und Mann unter dem Aspekt Venus und Mars erklären wollen, und zum „typisch weiblichen“ Repertoire gehöre dann, dass Frau die Verhältnisse in der Verliebtheit möglichst in die Langzeitbeziehung herüberretten wolle.
Auch das ist mal wieder eine männliche Betrachtungsweise: Die Illusionen der Verliebtheit gibt zuerst der Mann auf, verfliegen bei Ihm zuerst. Frau erwacht aus ihrer Phantomliebe und erkennt sein wahres Wesen, nachdem er sich nicht mehr so ideal verhält wie zu Beginn, beispielsweise auf den regelmäßigen Blumenstrauß oder den gelegentlichen Diamantring als Geschenk verzichten zu können glaubt.
Bevor Ihr jetzt in Eurer Beziehungsgeschichte versinkt und in dieses jämmerliche „Ja, das kenn’ ich auch“ verfallt, lasst Euch gesagt sein, dass Ihr auf dem Holzweg seid, denn diese Betrachtungsweise ist eindimensional, und die Venus-Mars-Story ist eine Dreiecksgeschichte, in Wirklichkeit (wenn denn der Mythos eine Realität ist) also die Venus-Vulkanos-Mars-Geschichte.
Ovid, ars amatoria II, 561ff.
Eine Geschichte erzählt man, die allen bekannt ist im Himmel:
Wie Mars und Venus gefasst wurden durch Mulcibers List.
Denn Vater Mars, ausser sich von rasender Liebe zu Venus,
Schrecklicher Feldherr zuvor, wurde zum Liebhaber nun.
Und als er bat, war Venus – sie ist ja die sanfteste Göttin –
Gegen Gradivus auch nicht schwierig und bäuerlich spröd.
O wie oft lachte sie frech – sagt man – über die Füsse des Gatten,
Über die Hand, welche hart war von der Kunst und der Glut.
Ahmte sie dann vor Mars’ Augen Vulcanus nach, stand ihr das herrlich,
Und sehr viel Grazie war mit ihrer Schönheit vereint.
Aber sie pflegten zuerst ihr Beilager klug zu verbergen,
Und noch voll schüchterner Scham war ihr Vergehen dabei.
Weil’s ihm der Sonnengott zutrug – wer könnte den Sonnengott täuschen? –,
Wurde Vulcanus das Tun seiner Gemahlin bekannt.
Was für ein schlechtes Beispiel, o Sonnengott! Bitte doch selber
Um ein Geschenk! Wenn du schweigst, hat sie auch Gaben für dich!
Rings um das Bett und darüber verteilt jetzt Mulciber Schlingen,
Unsichtbare; den Blick täuscht dieses kunstreiche Werk.
Dann gibt er vor, nach Lemnos zu reisen. Das Paar kommt zusammen,
Und in die Schlingen verstrickt liegen sie beide nackt da.
Nun ruft die Götter er her; die Gefangenen bieten ein Schauspiel.
Tränen mit Mühe nur hielt Venus, so glaubt man, zurück.
Nicht können sie die Gesichter bedecken und nicht vor die Teile,
Die man sonst offen nicht zeigt, legen die schützende Hand.
Da sagt einer und lacht: „Übertrage, tapferster Mavors,
Du deine Fesseln auf mich, sind sie dir selber zur Last.“
Kaum auf dein Bitten, Neptun, lässt Vulcan die gefangenen Leiber
Frei, und nach Paphos begibt sie sich, nach Thrakien Mars.
Da du nun dieses vollbracht hast, Vulcanus, tun künftig sie freier,
Was sie versteckten zuvor, und alle Scham ist dahin.
Oft freilich gibst du jetzt zu, dass du Narr etwas Dummes getan hast,
Und deine eigene Kunst, sagen sie, hast du bereut.
Das Mann-Frau – Verhältnis unter dem Aspekt „Mars-Venus“ zu interpretieren, impliziert die Betrachtung eines ehebrecherischen Verhältnisses; wir haben verdrängt, dass Mars und Venus eigentlich gar nicht zusammengehören.
„Vater Mars“ wäre ohne die Kunst des Waffenschmieds Vukanos sicherlich kein Kriegsgott, und die Art, wie Vulkanos Rache übt, finde ich sehr befremdlich. Während hier die beiden Ehebrecher im Netz gefangen ist, ist das Netzt ja eigentlich eine der Waffen der Frau, die, wenn sie auf Eroberungstour ist, danach trachtet, den Richtigen an die Angel oder in ihr Netz zu bekommen – symbolisch gesprochen. Hier sind Mars und Venus dem Vulkanos ins Netz gegangen, und er setzt sie der Beschämung durch alle anderen Götter aus; „alle Scham ist dahin“: Das mag glauben, wer mag.
Den Männern hat OVID mit dieser Episode eine Lektion erteilt: Der Sonnengott hätte von Venus eine „Gabe“ erpressen können und sollen. “Wissen ist Macht” – das gilt allerdings auch für die Frau von heute.
Vulkanos hätte besser nicht so genau hingeschaut und über das Geschehen hinweg. Sätze wie „die Scham ist vorüber“ gehen eigentlich auf ihn, der sein Ziel, die Gattin zu beschämen, nachhaltig verfehlt hat, zurück.
Allzu wörtlich kann ich das alles gar nicht nehmen. Der „lachende Dritte“, der Mars anbietet, dessen Fesseln zu übernehmen und der Spott zeigen an, dass es hier um den Gegensatz von Intimität und Öffentlichkeit geht; zur Schau gestellte Sexualität hat nichts intimes, aber den Gedanken daran hat es schon vor 2000 Jahren gegeben. Und noch heute gibt es die „Gattin“, die sich über ihren Gatten lustig macht, ihn parodiert und hinter seinem Rücken über ihn lästert. Welchen sittlichen Nährwert dieser Aspekt der Venus heute für uns Frauen haben soll – ich weiß es wirklich nicht.
Dass ich meinen Macker nicht bloßstellen und der Konkurrentin in ihre Arme treiben soll, wenn er mal auf Abwegen ist? Oder dass ich vor Verrätern auf der Hut sein soll?
Geschwätzige Verräterinnen sind schlimmer. Eine „Freundin“ hatte mal geglaubt, mich über einen Seitensprung meines Mackers informieren zu müssen – sie war merklich enttäuscht, als sie damit überhaupt kein Drama ausgelöst hatte, aber mir war eh klar, dass seine „Nebenbeziehung“ spätestens nach 91/2 Wochen vorbei sein würde. Und sie hatte sich solche Mühe gegeben, ein Drama zu sehen, mit ihrer Live-Reportage per Handy vom Betriebsfest. Ich betrachte so ein Verhalten als versuchte Beziehungsspalterei.
Aber, und das wird schnell vergessen, Venus ist auch in sich selbst verliebt. In der nächsten Folge gibt es zwei erotische Zeichnungen. Ich will nämlich, dass Ihr in Zukunft, immer wenn Ihr das Wort „Europapolitik“ hört, an geilen Sex denkt. Oder an das, was die Alten sich unter geilem Sex vorgestellt haben.
- Fortsetzung folgt -
— Hinweis: —
Zur Übersicht: Die Liebeskunst für Frauen nach OVID in der Interpretation von Leilah
Vulcanos Eifersucht ist ja grenzenlos – und hat nicht nur etwas verbindendes (ein Band verbindet die Liebenden…) , sondern schafft auch das Netz, das die Liebenden zusammenhält, aneinanderpresst.
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